Südwest Presse

WEITERE INTERVIEWS

17.03.2010
Im Gespräch mit Magdi Aboul-Kheir

 

Herr Zelter, Sie haben Ihre literarische Karriere über das Vorlesen begründet. Das ist aber wohl nicht der gängige Weg?

 

Der normale Weg führt über das gedruckte Wort und einen Verlag, erst danach kommen die Lesungen – wie eine nachträgliche Beglaubigung für das gedruckte Wort. Für mich war es unendlich schwer, einen Verlag zu finden, aber ich musste dafür auch nicht die autoritären Strukturen des Buchmarkts – mit Verlagen und Agenturen – mitgehen. Ich bin gleich an die Öffentlichkeit, habe sofort die Reaktionen des Publikums gespürt.

 

Ist es heute nicht eine Realität des Literaturbetriebs, dass Lesungen für viele Autoren existenziell wichtig sind?

 

Ja. Die meisten Autoren, die ich kenne, können von Verkäufen und Tantiemen nicht leben, sie brauchen die Lesungen. Fast alle Verlage haben Angestellte, die nur für den Lesebetrieb zuständig sind, die Lesungen akquirieren und organisieren.

 

Wie entgeht man beim häufigen Vorlesen der Routine?

 

Gute Frage. Routine bekommt man ziemlich schnell, und die ist auch notwendig. Es gibt aber Autoren, die das jeden Abend einfach wie eine Maschine abarbeiten. Ich versuche zu variieren, die Textauswahl zu verändern, auch mal andere Sprecher zu beteiligen.

Wie empfinden Sie den Hörbuch-Boom?

 

Eher zweischneidig. Zum einen reproduziert der Hörbuch-Markt die gleichen Strukturen, die schon den übrigen Buchmarkt prägen. Da ist nichts Subversives, Anarchisches mehr. Hörbücher können auch eine massive Verarmung darstellen, weil weniger intensiv rezipiert wird, das Tempo und die Interpretation vorgegeben werden. Eine Entmündigung des Lesers. Doch andererseits steckt darin auch eine archaische Form von Literatur.

 

 

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